Eine wissenschaftliche Analyse zur Versorgungsstruktur und Abrechnung der Polysomnographie in Deutschland – ein Positionspapier der DGSM

Mit dem Ziel, die oben beschriebene Weiterentwicklung der Hybrid-DRGs für die Abrechnungsmodalitäten für die obstruktive Schlafapnoe zu unterstützen, wurde eine Arbeitsgruppe mit verschiedenen Expert:innen aus dem ambulanten und stationären Bereich, der Forschung und der Gesundheitsökonomie gegründet. Im Rahmen einer Reihe von Workshops wurden Fallkonstellationen mit Fokus auf schlafmedizinischen Leistungen im Zusammenhang mit den Prozeduren „Polysomnographie (PSG)“ und „Polygraphie (PG)“ und den damit verbundenen Diagnosen identifiziert und diskutiert. Es galt festzustellen, welche Leistungen in diesem Zusammenhang aus medizinischer Sicht potenziell ambulant erbracht werden können. Ebenso wurde eine Liste mit Ausnahmetatbeständen entwickelt, bei denen eine ambulante Behandlung nicht möglich ist. Die konsentierten Ausnahmetatbestände sind der Anlage in diesem Dokument zu entnehmen.

Das InEK hat in mehreren Vorträgen und Publikationen die Berechnungsschritte zur Kalkulation der Hybrid-DRGs vorgestellt. In dieser Arbeit wurde versucht, diese Methodik so gut wie möglich auf die schlafmedizinischen Leistungen anzuwenden, die für eine Hybrid-DRG aus medizinischer Sicht in Frage kommen.

Der Preis einer Hybrid-DRG ist dem Grunde nach ein gewichteter Mittelwert aus der bisherigen stationären und bisherigen ambulanten Vergütung. Je mehr eine Leistung heute schon ambulant erbracht wird, umso größer ist der Einfluss der heutigen ambulanten Vergütung auf den Preis der Hybrid-DRG.

Folgende Größen spielen bei der Berechnung eine Rolle:

1.

Ambulantisierungsgrad: Dieser wird errechnet aus der Division von ambulanter Fallzahl durch Gesamtfallzahl und ergibt den Anteil der heutigen ambulanten Erbringung.

2.

Sach- und Laborkosten der betroffenen DRG: Die Sach- und Laborkosten fließen als Median in den Preis der Hybrid-DRG ein.

3.

Übrige Kosten der DRG (ohne Pflege): Hier wird der Median der Kosten mit dem Anteil der stationären Fälle multipliziert und zu der Summe aus der Multiplikation von Ambulantisierungsgrad und Leistungsbedarf addiert.

4.

Leistungsbedarf insgesamt (ohne Sach- und Laborkosten) aus der ambulanten Vergütung: Dieser Betrag wird mit dem Ambulantisierungsgrad multipliziert und ist, wie unter 3. beschrieben, ein Berechnungsbestandteil der Übrigen Kosten.

Da das InEK zur Berechnung des Ambulantisierungsgrades der jeweiligen Hybrid-DRGs die Daten des Instituts des Bewertungsausschusses (InBA) herangezogen hat, erfolgte ebenso eine Datenanfrage der DGSM am 28.03.2024 an das InBA, welche jedoch am 14.05.2024 abschlägig beantwortet wurde. Es wurde daher auf die Daten des Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi)Footnote 7 zurückgegriffen. Auf der Basis von öffentlichen Falldaten des InEK und der angeforderten Daten des Zi, jeweils für das Datenjahr 2022, erfolgte die Berechnung des Ambulantisierungsgrades. Dieser geht in die spätere „Mischpreis“-Kalkulation als Gewichtung ein.

In einem weiteren Schritt wurden Kostensimulationen, soweit wie möglich analog der Berechnungsmethodik des InEK, durchgeführt, um eine realistische Abschätzung für eine zukünftige sektorengleiche Vergütung der Hybrid-DRG E63B zu ermitteln. Die Methodik ist in Abb. 3 dargestellt.

Abb. 3figure 3

Vorgehensweise zur Ermittlung des Erlöses Hybrid-DRG E63B (Abkürzungen siehe Abkürzungsverzeichnis)

Die ambulanten Daten des InBA, die zur Berechnung nicht zur Verfügung standen, wurden durch Daten des Zi und für die Ermittlung des Leistungsbedarfs durch die Daten des Pneumologie-Krankenkassenvertrags des MEDI-VerbundsFootnote 8 ersetzt.

Fallbeschreibung

Im ersten Schritt wurden Indikationen und Fallkonstellationen im Zusammenhang mit den führenden Hauptleistungen (PSG und kardiorespiratorische PG) in der DRG E63B formal beschrieben. Dazu wurde festgelegt, in welchen Indikationen diese Hauptleistungen ambulant erbracht werden können, und eine Liste mit Ausnahmetatbeständen erstellt (Anlage zum Dokument), bei deren Vorliegen eine stationäre Aufnahme medizinisch geboten ist.

Die Indikationen, Hauptleistungen und Nebenleistungen (z. B. Überdrucktherapie bei schlafbezogenen Atemstörungen) wurden anschließend in Diagnose- (ICD-10 GM) sowie Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) überführt, sodass im Ergebnis formale Fallbeschreibungen vorlagen.

Folgende Diagnose- und Prozedurencodes wurden in die Analyse einbezogenFootnote 9 (Abb. 4 und 5).

Abb. 4figure 4

ICD-Codes (Textuelle Benennung gemäß ICD-10 GM 2024; Abkürzungen siehe Abkürzungsverzeichnis)

Abb. 5figure 5

Liste OPS-Codes (Textuelle Benennung gemäß OPS 2024; Abkürzungen siehe Abkürzungsverzeichnis)

Analyse der Zuweisungsalgorithmen in die Basis-DRG E63

Im zweiten Schritt wurde für jede Fallkonstellation ein Grouping durchgeführt und anhand der jeweils zusätzlich verwendeten Variablen a) Verweildauer (VWD) und b) Alter die Veränderungen in den DRG-Allokationen geprüft. In diesem Zusammenhang zeigten sich Fehlallokationen bei manchen Indikationen, die begründet sind durch eine Verbindung mit den OPS-Schlüsseln 1-790 bzw. 1-791. Durch deren steuernde Wirkung im Zuweisungsalgorithmus kommt es faktisch zu einer nicht mehr diagnosegerechten Umgruppierung (z. B. Narkolepsie) (s. a. Abb. 10). Entsprechend wurden im Rahmen des G‑DRG-Vorschlagsverfahrens für 2025 von der DGSM vier AnträgeFootnote 10 an das InEK eingereicht.

Analyse der stationären Fallzahlen

Auf der Datenbasis der vom InEK veröffentlichten stationären Fallzahlen für das Datenjahr 2022 (gruppiert nach 2023)Footnote 11 wurden jeder Diagnosenschlüssel in Abb. 4 und die OPS-Codes zur Polysomnographie und Polygraphie (Abb. 5) einzeln abgefragt und ausgewertet, um detaillierte und valide Ergebnisse im Zusammenhang mit den definierten Hauptdiagnosen, den Prozeduren, zur DRG-Allokation, den Verweildauern und der Verteilung der Patient Clinical Complexity Level (PCCL) zu erhalten.

Um einen Vergleich zwischen stationären Anzahlen (Pauschalabrechnung) und ambulanten Anzahlen (Einzelabrechnung) zu erhalten, wurden im stationären Bereich die sogenannten Nennungen (N) ausgewertet. Dies bedeutet, wenn in einem stationären Fall beispielsweise der OPS-Code 1‑790 zweimal vorkommt, ergibt das im Ergebnis: Fall (F) gleich n 1 und Nennungen (N) gleich n 2. Die Anzahl der Nennungen entspricht somit der Einzelabrechnung pro Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM).

Analyse der ambulanten Fallzahlen

Leider wurde die Anfrage der DGSM an das Institut des Bewertungsausschusses (InBA) abschlägig beschieden. Zur Berechnung des Ambulantisierungsgrades wurden daher die Fallzahlen zur PG und PSG (EBM-Ziffern in Abb. 6) des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) für das Datenjahr 2022 herangezogen.

Abb. 6figure 6

Beim Zi) abgefragte EBM-Ziffern (Abkürzungen siehe Abkürzungsverzeichnis)

Ebenso wurde eine Suche nach Selektivverträgen auf der Seite „Vertragstransparenzstelle“ des Bundesamtes für Soziale SicherungFootnote 12 (BAS) durchgeführt. Leider ohne Ergebnis. Es ist allgemein bekannt, dass Daten zu ambulanten Leistungen nur sehr bedingt zur Verfügung stehen. Das InBA verfügt auch über Daten zu Selektivverträgen. Dem InEK stehen, im Gegensatz zur DGSM, bei seiner Kalkulation die Daten des InBA zur Verfügung.

Vergleich stationäre und ambulante Fallzahlen

In der DRG E63B sind im Datenjahr 2022 insgesamt 161 Hauptdiagnosen mit 88.502 Fällen und weitere 638 Fälle in der sog. Restegruppe (ohne Zuweisung zu einer Hauptdiagnose) verzeichnet. Mit einer Hauptdiagnose OSAS (G47.31) sind 52.822 Fälle in der E63B vertreten. Dies entspricht einem Anteil von 62,78 %. Weitere 4489 Fälle mit einer Hauptdiagnose OSAS finden sich außerhalb der DRG E63B. Aus den Daten des Zi kann jedoch keine direkte Verknüpfung zur Hauptdiagnose hergestellt werden. Es müssen daher die Gesamtfallzahlen, ohne Eingrenzung auf die Diagnose OSAS, zur Berechnung des Ambulantisierungsgrades herangezogen werden.

Kostenbetrachtung

Die vom InEK veröffentlichten Kosten der ausgewählten DRG E63B (InEK Reportbrowser 2022–2024Footnote 13) sind in Form der InEK-Kostenmatrix öffentlich zugänglich (Abb. 7).

Abb. 7figure 7

InEK-Kostenmatrix E63B (Quelle InEK-Reportbrowser8); Adaptierte Darstellung von inspiring-health GmbH (Abkürzungen siehe Abkürzungsverzeichnis)

Die mittlere Verweildauer in der DRG E63B liegt im Datenjahr 2022 bei 1,7 Tagen und der arithmetische Mittelwert der Fallkosten ist mit € 1205,57 ausgewiesen (Abb. 7). Es ist anzumerken, dass die aktuelle mittlere Verweildauer in 2024 bereits bei 2,2 Tagen liegt (Fallpauschalen-Katalog 2024Footnote 14) und auch im Fallpauschalen-Katalog 2025Footnote 15 mit 2,2 Tagen fortgeführt wird.

Berechnungsbestandteil – Sach- und Laborkosten

Die blauen Felder in Abb. 8 entsprechen den „Sach- und Laborkosten“ in der DRG E63B und ergeben in Summe € 109,31.

Abb. 8figure 8

Sach- und Laborkosten; Adaptierte Darstellung von inspiring-health GmbH. PK Personalkosten, SK Sachkosten

Da die Kosten in der Kostenmatrix die Durchschnittswerte über alle Fälle der DRG E63B enthalten, musste überprüft werden, ob die Sachkosten den real anfallenden Kosten entsprechen. Es sollen die Anteile von Leistungen, die heute schon ambulant erbracht werden, mit deren ambulanter Vergütung mit in die Preisfindung von Hybrid-DRGs eingehen.

Berechnungsbestandteil – Differenzkosten

Der Leistungskomplex Polysomnographie umfasst folgende Bestandteile:

EEG-Aufzeichnung über mindestens sechs Stunden

EOG-Registrierung über mindestens sechs Stunden

EKG-Registrierung über mindestens sechs Stunden

Kontinuierliche Messung der Sauerstoffsättigung über mindestens sechs Stunden

Kontinuierliche Atemflussmessung an Mund und Nase über mindestens sechs Stunden

Kontinuierliche EMG-Registrierung an wenigstens zwei Muskelgruppen über mindestens sechs Stunden

Kontinuierliche Körperlagebestimmung mittels Lagesensoren über mindestens sechs Stunden

Kontinuierliche Videokontrolle der Korrelation von elektrophysiologischen Messdaten und Verhaltensbefund über mindestens sechs Stunden

Fakultativ: Kontrolle der Beatmung unter nCPAPFootnote 16-/BiPAPFootnote 17-Bedingungen

Fakultativ: Schulung und Training des Patienten im Gebrauch einer n‑CPAP/oder BiPAP-Beatmungsmaske

Die Durchführung einer PSG verursacht Kosten zwischen € 380,- und € 420,–. Hier sind Personalkosten enthalten, welche jedoch analog der InEK-Berechnungsmethodik in Ansatz zu bringen sind.

In Abb. 7 sind in der Kostenmatrix der DRG E63B im Kostenbereich 11 (Diagnostik) € 107,96 als durchschnittliche Kosten eingepreist. In den übrigen Kosten ohne Pflege (Abb. 9) ergibt sich im Kostenbereich 11 ein bereits berücksichtigter Betrag von € 101,14. Ausgehend von einer konservativen Schätzung von € 400,– ergeben sich somit Differenzkosten von € 298,86 (ohne Sach- und Laborkosten).

Abb. 9figure 9

Übrige Kosten ohne Pflege. PK Personalkosten, SK Sachkosten

Das InEK wird gebeten zu prüfen, inwieweit die tatsächlichen Kosten in der E63B sachgerecht berücksichtigt sind.

Berechnungsbestandteil – Übrige Kosten ohne Pflege

Die Pflege am Bett ist zwischenzeitlich aus dem DRG-System ausgegliedert und wird über ein separates Pflegebudget berechnet. Aus diesem Grund ist die Bezeichnung „Übrige Kosten ohne Pflege“ als „Ohne Pflege am Bett“ zu verstehen. Die übrigen Personalkosten bleiben erhalten.

Das InEK zieht in seiner Berechnungssystematik aus Gründen der Robustheit der Kalkulation und insbesondere zur Kontrolle von statistischen Kostenausreißern den Median und nicht den Durchschnittswert der übrigen Kosten ohne Pflege heran. Der Median kann nur bei Vorhandensein der gesamten Verteilung der Werte berechnet werden. Nachdem das InEK nur Mittelwerte und Standardabweichungen veröffentlicht, wurde der Median in der hier vorliegenden Arbeit geschätzt. Nähere Erläuterungen dazu in Berechnungsschritt 3.

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